lingam – consciousness
Advaita-Lecture zum 2.Ausbildungsabschnitt 2001
Tantra, insbesondere Advaita-Tantra, geht davon aus, dass in Lingam (und Yoni) letztendlich das kosmische Bewußtsein wohnt. Hier wird davon ausgegangen, dass das Bewußtsein von Lingam (und von der Yoni) umfassend sind, d.h. alle Möglichkeiten der Vereinigung, der Verschmelzung und Erleuchtung bereits in sich tragen. Lingam ist das sensibelste Körperteil des Mannes, ein Organ der Liebe, das Körperorgan, dass ihn befähigt, sich zu vereinigen. Indem der Mann sich mit der Frau vereinigt, vereinigt er sich mit der Welt, mit der Urmutter, und der Mann wird ja auch, wenn er biologisch mit seiner Ejakulation zum Vater wird, zum Schöpfer. Wenn er Vater wird, hat er durch den Liebesakt Teil am schöpferischen Prozeß.
Davon aber einmal abgesehen, geht es hier um die Weisheit des Lingams; von der hat normalerweise noch kein Mann gehört. Weil Lingam eine eigene Weisheit hat, entzieht er sich manchmal (aus tantrischer Sicht mit großer Logik) dem Willen des Mannes. Wenn Lingam sich z.B. nicht erheben will, keine Erektion hat, dann hat Lingam kein Vertrauen – und das ist Lingams Weisheit. Sehr häufig ist das Ich des Mannes und sein Selbstbewußtsein jedoch gekoppelt mit dem stehenden Schwanz, als Denkmal seines Egos, seiner Könnerschaft. Und dabei kann es erlösend für den Mann sein, dem Lingam Weisheit zuzugestehen. Manchmal ist Lingam ja auch geil auf eine Frau und bekommt eine Erektion, wo der Mann meint, es passe gerade auch nicht. Lingam erhebt sich auch, wenn das Ich des Mannes es nicht will!
Lingam erhebt sich nicht, wenn das Ego des Mannes es will – oder es erhebt sich, wenn das Ego des Mannes es nicht will. Das sind Probleme, die haben Frauen in dieser Form nicht – zumindest nicht sichtbar. Und weil es sichtbar ist, sowohl dem Besitzer, als auch der Umwelt, hat es (mehr als bei der Frau die Feuchtigkeit der Yoni) mit seiner Identität und seinem Ich zu tun, seinem Selbstbewußtsein als Mann. Und sehr häufig, vor allem wenn der Mann aus unserem Kulturkreis kommt, ist Herz und stehendes Lingam getrennt, weil Herzenergie und Lingamenergie getrennt sind. Aber das Bewußtsein des Lingams ist in Wahrheit viel mehr mit dem Herzen verbunden, als der normale Mann wahrhaben will. Er macht aus dem Phallus ein Denkmal seines Egos – und genau das ist Phallus nicht! Phallus ist Organ der Liebe, Ausdrucks des Herzens, ein Denkmal der Verehrung – nicht ein Denkmal des Egos. Und das ist der ganz erhebliche Unterschied von lingam-consciousness und einem ganz durchschnittlichen männlichen Selbstbewußtsein, das gekoppelt ist an den stehenden Schwanz, der immer erigieren kann, wenn es sein muss. Und Lingam ist vor allem sensibel! Ungeheuer feinfühlig! Mindestens so feinfühlig wie das Herz des Mannes! Das ist ein Gedanke, eine Vorstellungswelt, die für die meisten Männer (und Frauen) total neu ist: das Genital ist so sensibel wie das Herz! Das allersensibelste aller Körperteile.
Lingam und Yoni sind für die Liebe kreiert, für die Seeligkeit der Verschmelzung und vor allem für die tiefe Freude am eigenen Körper. Lebensfreude! Und Lingambewußstsein heißt Vertrauen: wenn z.B. Lingam sich nicht erhebt, vertraue ihm, frage nach, nicht selbstkritisch oder mit verstörtem Ego, sondern einfach „hey Lingam, was steckt dahinter?“. Und wenn er sich erhebt, wo er sich nicht erheben soll, dann frage ihn auch, welche Wahrheit dahinter steckt. Normalerweise wird er sagen „Meine Damen und Herren, die Geilheit treibt mich“. Geilheit ist eigentlich ein diskriminierendes Wort für die Lust, die im Lingam aufsteigt. Tja, da regt sich Lingam in der Hose, wenn sie vorbeigeht, und irgendwie passt es auch nicht rein – welche Weisheit steckt da dahinter? Nicht sagen „hey, du funktionierst nicht, Lingam“. Was auch immer Lingam macht, hat eine Weisheit, ganz egal, ob er sich erhebt oder nicht erhebt. Dahinter steckt ein Ausdruck seines Bewußtseins. Er hat ein eigenes Bewußtsein. Das ist Frauen meist schwerer zu vermitteln, weil die Yoni drinnen im Körper liegt. So sehr ein Teil von ihr, dass der Gedanke, dass Yoni ein eigenes Bewußtsein hat, fast schwieriger ist, als beim Mann, dessen Lingam ja aussen am Körper hängt und dessen Eigenleben hier sichtbar ist. Die Einsicht, dass die Annäherung des Mannes zu seinem Lingam darüber geht, nach der Weisheit von König Lingam zu fragen (und nicht: „wie kriegt das Mann-Alltags-Ich Dich besser in den Griff“) ist lingam-consciousness.
Ja, Lingam ist für Hingabe gemacht! Lingam steht am besten, wenn er sich hingeben will! Und das ist doch eigentlich eine ganz weibliche Eigenschaft. Lingam ist eigentlich eine Yoni! Weil: Lingam braucht Vertrauen, um sich zu erheben und es geht ihm gut, wenn er nett empfangen wird. Vor allem aber steckt hinter der Erektionsfähigkeit Vertrauen. Man denkt oft, Lingam und Yoni seien verschieden, aber –und das sagen die tantrischen Schriften auch-, Lingam und Yoni sind von ihrem Bewusstsein her eins. Beide brauchen Vertrauen zur Liebe: die Yoni, um sich zu öffnen, Lingam, um in seine Kraft zu kommen.
Beim lingam-talk spricht Lingam aus seiner Weisheit, nicht aus dem, wie er zu funktionieren hätte! Und das Paradoxe ist, dass Lingam umso besser funktioniert, je weniger er funktionieren muss. Das ist der Punkt und genau das steht hinter diesem Ansatz.
Die Weisheit von ihr, von ihm, Liebe, Verschmelzung, Hingabe, Aufgabe des Egos, sozusagen der ganze Makrokosmos, alle Weisheit der Welt, ist nicht im Herzen oder im dritten Auge, sondern im Lingam und in der Yoni. Folgen wir ihrer Weisheit, dann ist alle Weisheit des Herzens schon mit einbegriffen!
Für die Yoni gilt das ähnlich, aber es gibt Unterschiede. Die Yoni erhebt sich nicht, Vertauen und Raum braucht sie auch. Aber im Selbstbewußtsein der Frau, für ihr Ego, spielt normalerweise die Größe der Brüste, die Flachheit ihres Bauches und ihr Hüftspeck ungefähr die Rolle, die für den Mann die Erektionsfähigkeit und die Größe seines Schwanzes spielt. Die Größe der Yoni und wie sie aussieht, spielt im Allgemeinen für das Selbstbewußtsein der Frau eine geringere Rolle – und im Spiel der Geschlechter zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt: bis die Frau die Beine öffnet und der Mann ihre Yoni sieht, ist Lingam schon längst offensichtlich, z.B. unter der Dusche, in der Sauna und Frau kann so schon ihre kleinen Abschätzungen vornehmen. Bis er ihre Yoni sieht und sie danach einschätzt, ist schon viel mehr gelaufen. Natürlich sind auch die Äußerlichkeiten der Yoni für für das Selbsbewußtsein der Frau wichtig, aber trotzdem ist es viel verborgener. Es dauert einfach, bis der Mann da ankommt, auch im Liebesspiel. Bis Frau die Beine öffnet, hat Mann schon ihre Brüste gesehen, ihre Haare, ihre Figur – klar, Mann hat auch eine Figur, aber das Selbstbewußtsein der Frau hängt da viel mehr dran.
Das Analoge zur erektiven Potenz des Mannes ist die Feuchtigkeit der Yoni, aber es wird nicht soviel Aufhebens gemacht um die Feuchtigkeit der Yoni. Das ist aber praktisch genau der selbe Ausdruck: Yoni ist trocken – will nicht! Lingam steht nicht – will nicht! Man kann ja auch eher drüber weggehen: da gibt’s Gleitcreme, da gibt’s Spucke u.a. (naja, es gibt auch Viagra…), eine Frau kann es insgesamt viel eher überspielen, vortäuschen. Das Selbstbewußtsein hängt an anderen Sachen als daran, wie feucht die Yoni ist. Daher kann man nicht einfach Lingam gegen Yoni austauschen um die yoni-consciousness zu erhalten. Übereinstimmung und Unterschiede sind subtil. Lingam und Yoni sind zwei Pole, aber eins sind sie in dem Punkt, dass sie beide Vertrauen brauchen um sich hingeben zu können.
Hier wird deutlich, dass Körper und Seele nicht getrennt sind! Sie sind es nicht! Es ist immerzu ein Konzept! Genau an dem genitalen Verhalten des eigenen Körpers kann man sehen, wie integriert man ist. So lange mann/frau sich nicht damit auseinandersetzen, können sie mit den Engeln fliegen, aber wenn sie keinen Orgasmus kriegen, dann sagt Lingam/Yoni: „ich habe kein Vertrauen“. Und die oberen Chakren können so tun, als wären sie ganz ganz offen für die Engelein: „something is not right!“. Wenn die Engel nicht auch in Lingam/Yoni singen können, ist mann/frau nicht integriert! Hingegen, wenn sie nur in der Yoni singen und sonst nirgendwo, ist mann/frau auch nicht integriert!